© Anton Prock 2014
Madonna auf der Mondsichel
Für die Darstellung der Madonna auf der Mondsichel, das
ein beliebtes Motiv der Gotik ist, gibt es verschiedene
Quellen:
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So wird etwa im Hohenlied Salomos die Braut wegen
ihrer überirdischen Schönheit mit Sonne, Mond und
Sternen verglichen: “Schön wie der Mond, auserwählt
sie die Sonne”). Dies wird später auf Maria
angewendet.
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In der Weisheit Salomos wird von der Weisheit als
“herrlicher als die Sonne und alle Sterne” gesprochen,
was später auch wieder auf Maria umgedeutet wird.
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In der Apokalypse des Johannes steht im Kapitel 12,1:
“Und ein großes Zeichen
erschien im Himmel: Eine Frau,
bekleidet mit der Sonne, und der Mond war unter ihren
Füßen und auf ihrem Haupt ein Kranz von 12 Sternen.”
Der Halbmond, meist mit nach unten gebogenen
Spitzen, steht für Keuschheit.
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Genesis 3,15: “Feindschaft will isch setzten zwischen dir
und dem Weibe, zwischen deinem Spross und ihrem
Spross. Er (andere Version Sie = Maria) will dir den Kopf zermalmen, und du
wirst ihn an der Ferse treffen.”
Der Halbmond ist ein altes heidnisches
Symbol und steht für Keuschheit. Der
Mond hat in der altorientalischen
Astronomie mehr Bedeutung als die
Sonne, er gilt als Zeitmaß, als
Messinstrument, was vor allem für den
Monatszyklus der Frau wichtig ist. Im
Indogermanischen bedeutet die Wurzel
“me” = messen. Der Mond ist aber auch
Symbol der Fruchtbarkeit und des
Lebens: Geburt, Wachstumsphase, volle
Erscheinung, Abnahme, Verschwinden
(Tod) - Zeichen des ewigen Werdens und
Vergehens.
Was ist dargestellt?
Die junge Maria steht oder sitzt, hat offenes
Haar, trägt das Jesuskind auf dem Armt und setzt
einen Fuß oder beide Füße auf die Mondsichel.
Manchmal kann die Mondsichel in der inneren
Krümmung ein freudloses Gesicht zeigen, das
meist als das Gesicht
Adams gesehen wird.
Maria hat durch die Geburt von Jesus die Erbsünde, die
durch Adam in die Welt gekommen ist, überwunden.
Umleuchtet wird die Jungfrau oft von den Strahlen der
hinter ihr verborgenen Sonne. Um ihr Haupt strahlt ein
Kranz von 12 Sternen, Sinnbild des Gottesvolkes (12
Stämme Israels, 12 Apostel).
Die großen vorchristlichen Muttergottheiten des
Zweistromlandes zwischen den Flüssen Euphrat und Tirgris
und im Mittelmeerraum haben zwei Aspekte - einen irdischen
und einen himmlischen. Als Erdmütter verkörpern sie
Fruchtbarkeit und den Kreislauf des Lebens mit Zeugen -
Gebären - Leben - Sterben. Sie sind aber auch Königinnen des
Himmels, angetan mit dem Glanz von Sonne, Mond und
Sternen. Am wichtigsten ist für sie der Mond als markantes
Symbol des Weiblichen mit dem 28tägigen Zyklus der
weiblichen Periode.
Diese himmlischen Astralgottheiten waren auch in Israel
präsent. Vor allem in der Apokalypse des Johannes werden
diese Eigenschaften der Muttergottheiten auf Maria
übertragen, wobei es vor allem um die makellose Reinheit der
Jungfrau geht.
Der Kranz von 12 Sternen und die Europaflagge
Die Europaflagge besteht aus einem Kranz von zwölf goldenen
fünfzackigen Sternen auf blauem Hintergrund. 1955 wurde sie
eingeführt und 1986 von der Europäischen Gemeinschaft
übernommen. Heute ist sie Symbol der EU.
Die Zahl 12 symbolisiert Vollkommenenheit und Einheit (12 Stämme
Israels, 12 Apostel). Sie setzt sich aus der Zahl 3 (drei göttliche
Tugenden - Glaube, Liebe Hoffnung) und der Zahl 4 (vier weltliche Tugenden - Klugheit,
Mäßigkeit, Tapferkeit, Gerechtigkeit) zusammen. Ursprünglich entsprach die Zahl 12 auch der
Anzahl der Mitgliedsstaaten, heute jedoch nicht mehr.
Offizielle Symbolik: “Gegen den blauen Himmel der westlichen Welt stellen die Sterne die
Völker Europas in einem Kreis, dem Zeichen der Einheit, dar. Die Zahl der Sterne ist
unveränderlich auf zwölf festgesetzt, diese Zahl versinnbildlicht die Vollkommenheit und die
Vollständigkeit … Wie die zwölf Zeichen des Tierkreises das gesamte Universum verkörpern, so
stellen die zwölf goldenen Sterne alle Völker Europas dar, auch diejenigen, welche an dem
Aufbau Europas in Einheit und Frieden noch nicht teilnehmen können.“
Inoffizielle Symbolik: Deutung im Sinne der Apokalypse des Johannes (”Und es erschien ein
großes Zeichen am Himmel: Eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen
und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen.”). Diese Stelle wird ja auf Maria umgedeutet.
Angeblich bestand bei der Einführung der Flagge kein Zusammenhang zur Mariensymbolik.