© Anton Prock 2014
Die Kreuzigung Christi
Christus wird auf dem Hügel
Golgota (aramäisch
Schädelstätte, lat. calvaria) vor
Jerusalem gekreuzigt. Die
Strafe der Kreuzigung ist die
entehrendste für
Schwerverbrecher und darf bei
Römern nicht angewendet
werden. Im oberen Bereich
des Kreuzes ist eine kleine
Tafel mit den Buchstaben INRI
angebracht: “Jesus Nazarenus
Rex Judaeorum” - Jesus von
Nazareth, König der Juden.
Pilatus macht damit deutlich,
dass Jesus nach römischem
Recht und nicht nach mosaischem Gesetz schuldig gesprochen worden ist. Nach
Meinung des Volkes wurde Jesus von den Juden gekreuzigt, was als religiöse
Begründung für die Verfolgung der Juden angesehen wurde. Erst im Zweiten
Vatikanischen Konzil wurde 1965 diese Schuldzuweisung formell aufgehoben.
Die Soldaten teilen die Kleider Christi untereinander auf, um den nahtlos gewebten
Rock jedoch würfeln sie.
Zugleich mit Jesus werden
zwei Räuber, bezeichnet als
Schächer, gekreuzigt. Sie sind
jedoch zum Unterschied von
Jesus meist an zwei T-förmige
Kreuze gefesselt. Einer der
Schächer lästert über Jesus,
der andere bereut seine
Schuld und bekennt sich zu
Christus. Zu ihm sagt Jesus:
“Noch heute wirst du mit mir
im Paradies sein” (Lk 23,43).
Unter dem Kreuz stehen
Maria, die Mutter von Jesus,
und drei weitere Frauen mit
dem Namen Maria - Maria
Cleophas (Schwester der Gottesmutter), Maria Salome (Mutter von Jakobus dem
Älteren und Johannes dem Evangelisten) sowie Maria Magdalena. Auch Johannes,
der Lieblingsjünger Jesu, ist anwesend.
Begleitet wird die Szene von einer großen
Menschenmenge. Mittags verdüstert eine
Sonnenfinsternis den Himmel für drei Stunden
und Christus ruft: “Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?” Mt 27,46). Christus hat
Durst und jemand gibt ihm mit einem
essiggetränkten, auf ein Schilfrohr gesteckten
Schwamm zu trinken.
Um die neunte Stunde (drei Uhr nachmittags)
spricht Jesus: “Es ist vollbracht!” Er neigt sein
Haupt und stirbt. Als Erinnerung daran läuten bei
uns am Freitag um 15.00 Uhr die Kirchenglocken.
Genau zu seinem Tod reißt im Tempel von
Jerusalem der große Vorhang entzwei, die Erde
bebt und Gräber öffnen sich.
Den Verurteilten bricht man die Beine, damit sie schneller sterben.
Am Sabbat sollte niemand mehr auf dem Kreuz hängen. Jesus ist
aber schon tot, deshalb geschieht dies bei ihm nicht. Der Legende
nach stößt der römische Soldat Longinus seine Lanze in die Seite
von Jesus und das herabtropfende Blut soll angeblich seine Augen
geheilt haben. Aus der Seitenwunde Christi fließen Blut und
Wasser.
Was ist dargestellt?
Die Kreuzigung Christi findet auf dem Hügel Golgota außerhalb Jerusalems statt.
Jesus hängt am Kreuz, zu seiner Rechten der gute
Schächer, zu seiner Linken der böse Schächer. Zu seinen
Füßen seine Mutter Maria, ihre Schwester Maria
Cleophas, Maria Salome und Maria Magdalena sowie
der Lieblingsjünger Johannes.
Bei vereinfachten Darstellungen sind nur Christus am
Kreuz sowie seine Mutter Maria zu seiner Rechten und
Johannes zu seiner Linken, eventuell direkt unter dem
Kreuz auch Maria Magdalena, dargestellt. Maria
Magdalena ist an ihrem langen Haar zu erkennen.
Sonne und Mond
Genesis 1,16: “Gott machte die beiden
großen Leuchten, die größere Leuchte zur
Herrschaft über den Tag, die kleinere
Leuchte zur Herrschaft über die Nacht,
dazu die Sterne.” Bei der Kreuzigung steht
die Sonne immer zur Rechten, der Mond
immer zur Linken Christi. Sie weisen
darauf hin, dass Christus der Herrscher
über den Kosmos ist. Die Kirchenväter
interpretieren Sonne und Mond als Altes
und Neues Testament. Die Sonne gilt als
männlich, der Mond als weiblich (lat. sol
ist männlich, luna weiblich).
Christus in der Kunst
Im frühen Christentum wird die Kreuzigung mit dem leidenden Christus nicht dargestellt. Die
Kreuzigung war die entehrendste Strafe für Verbrecher und wurde bei Römern nicht angewendet.
Das Kreuz gilt als Siegeszeichen, Christus hat durch seinen Tod den Tod besiegt, triumphiert und
uns Menschen das ewige Leben ermöglicht. Eine der frühesten Darstellungen der Kreuzigung ist
ein Relief an der Türe von S. Sabina in Rom (um 430).
Bis ins 13./14. Jh. ist Christus lebend mit geöffneten
Augen als Sieger über den Tod dargestellt. Wie das
Kreuz weist die Gestalt Christi selbst in die vier
Himmelsrichtungen. Das Kreuz auf Golgota ist
Zentrum des Kosmos, der durch den Opfertod Christi
erlöst wird. Der Christus der Romanik triumphiert
über den Tod. Er steht aufrecht auf einem kleinen
Podest, der Kopf ist erhoben, die Augen sind geöffnet,
die Füße stehen nebeneinander, er triumphiert über
den Tod. Man spricht vom Viernageltypus (zwei Nägel
für die Füße, zwei Nägel für die Hände).
Ein Wandel vollzieht sich in der Zeit der Gotik. Vor
allem der Zisterzienserheilige Bernhard von Clairvaux
und der hl. Franziskus entwickeln eine mystische
Frömmigkeit mit intensiver Versenkung in das Leiden
Christi. Das Leiden, der Schmerz und das Sterben Christi stehen nun im Mittelpunkt. Der tote
Christus hängt am Kreuz, sein Körper ist ausgemergelt, von Wunden übersät, sein Gesicht
schmerzverzerrt. Man spricht vom Dreinageltypus (Füße übereinander und mit einem Nagel am
Kreuz befestigt, zwei Nägel für die Hände).
Diese angeführten zwei Typen der Kreuzigung (Viernageltypus - Romanik und davor,
Dreinageltypus - Gotik) gelten nur für die Romanik und Gotik. In späterer Zeit kommen
verschiedene Mischformen vor, wobei der Dreinageltypus und der leidende Christus überwiegen.
Das Kreuz Christi kann auch als Lebensbaum bzw. Holz des Lebens abgebildet sein. Als
Lebensbaum sind auch die Gabel- oder Astkreuze zu verstehen.