Christliche Ikonografie am Beispiel Tiroler Kirchen
© Anton Prock 2014

Heilige - Allgemeines

Der Mensch des Mittelalters war immer mit

Gefahren und Unsicherheit konfrontiert und

lebte ständig in Angst: Krieg, Hungersnot,

Naturkatastrophen, Seuchen, Knechtschaft,

Sklaverei, Tod. Deshalb suchte man nicht in

erster Linie die Kirche als solche, sondern

ihren Heilsbesitz. Die Menschen ergriffen die

von der Kirche angebotenen Formen des

religiösen Lebens und die Möglichkeiten der

Frömmigkeitsübung: 

Gebete und Andachtsübungen

Festtage

Bemühen der Gläubigen um Schutz und Fürsprache möglichst vieler Heiliger

Stiftungen von Weihegaben

Damals konnte sich der Mensch vieles nicht

natürlich erklären. Die Welt war für den

Menschen des Mittelalters kein

wissenschaftliches Phänomen, sondern eine

Tatsache des Glaubens. In diesem Zusammenhang

ist der Begriff des Wunders (Heilungen, Rettung

aus Not etc.) zu sehen. Bei einem Wunder handelt

es sich um ein sinnenfälliges Ereignis, das die

Gesetzmäßigkeiten des natürlichen Geschehens

und damit der Natur durchbricht. Es erregt

Staunen oder Furcht und wird vom religiösen

Menschen als göttliche Machtbezeugung

verstanden.

“Was sagt Gott dazu?” Diese Frage war die tiefste

Frage des Mittelalters. Alle Stände unterwarfen sich dieser Frage, auch wenn

Fluchtversuche immer wieder stattfanden. Aber die Kirche war die große

Auffangstation, die allen entgegenkommt, den Adeligen ebenso wie den Bettlern

und Ausgestoßenen.

Für den Menschen

gab es die “vier

letzten Dinge”: Tod

- Gericht - Himmel -

Hölle. Der Tod war

unausweichlich, das

Leben großteils ein

steiniger Weg zum

Tod. Die

Wissenschaften

steckten in den Kinderschuhen. Aberglaube, Irrglaube und Unsicherheit waren Teil

des häufig qualvollen Lebens von der Geburt bis zum Tod. Oft blieb den Menschen

einzig und allein der Glaube an Gott. Gott jedoch war unerreichbar fern, die Heiligen

stellten die Verbindung zu ihm her, allen voran Maria. Die Heiligen sind Mittler zu

Gott, sie bringen ihm unsere Anliegen und Sorgen dar. Dies ist der Grund, warum im

Mittelalter und auch in der Neuzeit die Heiligen- bzw. Reliquienverehrung und die

Pilger- und Wallfahrten so bedeutend waren.

Ein besonderes Anliegen der Volksfrömmigkeit

war, Hilfe in allen irdischen Nöten zu erlangen,

und man griff auf Märtyrer zurück. Da gab es

etwa die Gruppe der “Vierzehn Nothelfer”.

Das Volk war der Überzeugung, dass die

mächtige Hilfe dieser Heiligen jeden aus

unmittelbar drohender Gefahr zu erretten

vermochten. Die Heiligen, speziell diese

Nothelfer, wurden in den Nöten und Sorgen des

täglichen Lebens angerufen, vor allem aber

gegen Feuer, Blitz, Viehschaden, gegen

verschiedene Krankheiten und Pestseuchen,

gegen Kriege und Erdbeben.

Jede Kirche ist einem Patron (Schutzheiligen) geweiht. Städte, Handwerker,

Bruderschaften und Zünfte haben Patrone. Die Metzger und Gerber wählten den hl.

Bartholomäus als Schutzherrn, da ihm laut Legende die Haut bei lebendigem Leibe

abgezogen wurde. Die hl. Dorothea mit dem Blumenkörbchen soll die Gärtner

beschützen. Der Krieger etwa verehrt den streitbaren hl. Michael und den Ritter

Georg.

Eng verbunden mit den Heiligen sind ihre

Legenden. Hier taucht die Frage auf, was wahr

ist und was nicht. Bei vielen Heiligen wissen wir

auch nicht, ob sie wirklich gelebt haben.

Besonders verehrt werden die Reste von

Heiligen, die Reliquien. Die Anschauung war, je

mehr Reliquien jemand besaß, desto mehr

Fürbitter bei Gott hatte er. Der Reliquienhandel

nahm zeitweise ungeahnte Ausmaße an und

war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wer es

sich leisten konnte, der sammelte. 

Hl. Notburga von Eben (Pfarrkirche Reith im Alpbachtal, Foto: A. Prock) Hl. Georg (Pfarrkirche Brixlegg, Foto: A. Prock) Jüngstes Gericht (Friedhof Mariathal, Kramsach, Foto: A. Prock) Hl. Katharina von Alexandria (Pfarrkirche Oberau, Wildschönau, Foto: A. Prock) Reliquie in der Waldaufkapelle in der Pfarrkirche Hall in Tirol (Foto: A. Prock)