Christliche Ikonografie am Beispiel Tiroler Kirchen
© Anton Prock 2014

Kreis

Der Kreis stellt die vollkommenste und harmonisch perfekte geometrische Form dar, er hat keinen Anfang und kein Ende, alle Punkte sind gleich weit vom Mittelpunkt entfernt. Für ihn steht die Zahl eins, die vollkommen ist und nicht geteilt werden kann. Die Kreislinie ist unendlich, sie kehrt immer in sich zurück. Er ist Symbol der Einheit, des Absoluten und der Vollkommenheit, aber auch der Unendlichkeit. Damit verbunden ist die Schlange, die sich in den Schwanz beißt (Ouroboros) und deshalb die Unendlichkeit bedeutet. Durch seine Geschlossenheit gilt er auch als Sinnbild des Schutzes vor dem Bösen, vor Geister und Dämonen. Das drückt sich beim Gürtel, beim Ring, beim Reif sowie bei kreisförmigen Amuletten aus. Wer sich innerhalb des Kreises befindet, ist geschützt. Als Sinnbild der Unsterblichkeit findet er sich schon an antiken Grabmonumenten. Wegen dieser Unendlichkeit wird der Kreis am Symbol göttlicher Liebe gesehen. Auch Gott hat keinen Anfang und kein Ende, somit ist der Kreis auch Sinnbild der göttlichen Einheit. Im Sinne von Beständigkeit und Treue findet der Kreis in Form von Ehe- und Ehrenringen Verwendung. Auch das Rad hat Kreisform. Als Symbol der Zeit (etwa Jahreskreis, Ablauf der Jahreszeiten, Sonnen- und Planetenbahnen etc.) steht er für zyklisch ablaufende Prozesse. Zu finden ist der Kreis etwa beim Heiligenschein (Nimbus), der die Sonne symbolisiert. Vor allem Taufkirchen (Baptisterien), Grabkapellen und Karner  haben Kreisform oder kreisähnliche Formen (Fünfeck, Achteck, Zwölfeck etc.). Diese Architekturformen stehen in Beziehung zur ewigen Gemeinschaft Gottes. Schon mykenische Grabbauten waren so gestaltet. Karner sind Beinhäuser, in denen die Überreste der Verstorbenen auf Friedhöfen gesammelt wurden. Auch Marienkirchen und - kapellen weisen gerne die Kreisform auf, ein Hinweis auf die Vollkommenheit der Gottesmutter. Mittelalterliche Städte in ganz Europa waren häufig möglichst kreisförmig angelegt und von einer Mauern umgeben. Auch für Befestigungs- und Verteidigungstürme wurde gerne diese Form gewählt, da sie mehr Überblick und besseren Ausblick bot.